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Oktober 2008Ist ein Screening der Berufskraftfahrer auf Tagesschläfrigkeit sinnvoll?
Seit Juni 2007 ist eine überarbeitete Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gültig. Neu geregelt wurde insbesondere die Bewertung von Tageschläfrigkeit. In der Neuregelung ist festgelegt, dass bei Hinweisen auf eine erhöhte Tageschläfrigkeit diese durch eine Messung ausgeschlossen werden muss, um eine Fahrerlaubnis erteilen oder verlängern zu können.
Für diese nun notwendige Messung bietet sich die Pupillographie in besonderer Weise als bewährte, objektive und sehr ökonomische Methode an.
Unsere Pupillographen PSTeco, PSTxsII und F²D bestimmen zur Beurteilung der Tagesschläfrigkeit den sog. Pupillenunruheindex – PUI. Ein niedriger PUI-Wert zeigt Wachheit, ein höherer Wert quantifiziert den Grad der Schläfrigkeit.

In Abb. 1 ist die Verteilung der ln (PUI) - Normwerte (schwarz, ln = natürlicher Logarithmus) von wachen, schlafgesunden Personen beiderlei Geschlechts im Alter von 20 bis 60 Jahren dargestellt. Dem überlagert sind ln(PUI)-Werte unbehandelter Schlafapnoe-Patienten (SBAS). Beiden Verteilungen sind die Wertebereiche unauffällig, grenzwertig und pathologisch überlagert.
Man erkennt, dass die Verteilung der ln(PUI)-Werte der Patienten deutlich nach rechts zu höheren PUI-Werten und damit zu erhöhter Schläfrigkeit verschoben ist. Von den Schlafgesunden sind 22 % im unteren gelben Bereich leicht auffällig und nur sehr wenige Schlafgesunde (5 %) haben einen hohen PUI im roten Bereich. Wohingegen 67 % der Patienten auffällige Werte im gelb/roten Bereich zeigen und auch insgesamt höhere Werte aufweisen.
Diese Verteilung deckt sich mit der klinischen Erfahrung, dass nicht alle SBAS-Patienten an Tagesschläfrigkeit leiden.
OSAS | 33,3 | 11,1 | 14,8 | 40,8 |
Kontrolle | 71,4 | 20,7 | 2,9 | 5,0 |
Für die Bewertung der Relevanz der Messung von Tagesschläfrigkeit im Hinblick auf die FeV stellt sich nun die Frage, ob z.B. die Schlafapnoe bei Berufskraftfahrern besonders häufig zu finden ist. Diese Annahme ist naheliegend, da aus der Literatur bekannt ist, dass Berufskraftfahrer im Mittel einen höheren BMI aufweisen verglichen mit der Gesamtbevölkerung und der Schweregrad einer Schlafapnoe in einem engen Zusammenhang mit dem Übergewicht steht.

In Abb. 2 ist hierfür die Häufigkeit der Schlafapnoe, repräsentiert anhand obstruktiver Schlafereignisse (RDI, Respiratory Disturbance Index) in der allgemeinen Bevölkerung und bei Lkw-Fahrern aufgetragen. Anzeichen für Schlafapnoe finden sich demnach bei 26% der Gesamtbevölkerung, aber bei 60 % der LKW-Fahrer. Berücksichtigt man, wie oben gezeigt, dass davon bei 2/3 die Vigilanz beeinträchtigt ist, ergibt sich, dass ca. 40 % aller LKW-Fahrer unter Tagesschläfrigkeit allein aufgrund einer Schlafapnoe leiden.
Zu einem qualitativ vergleichbaren Ergebnis anhand von Fragebögen kommt auch eine Studie von Cassel el. al aus dem Jahr 2007. 32 % der Berufskraftfahrer erreichten ein ESS-Score von 11 Punkten (gegenüber 14 % der Gesamtbevölkerung). Legt man diese Ergebnisse zugrunde und berücksichtigt als auffällig schläfrig nur Personen, die in der oberen Hälfte des "gelben" Bereiches und höher liegen, so ergibt sich immerhin noch ein Anteil von ca. 18 % an Berufskraftfahrern die aufgrund einer Schlafapnoe an erhöhter Tageschläfrigkeit leiden.
Im Anbetracht dieser Fakten erscheint es sinnvoll bei Berufskraftfahrern ein Screening auf Tageschläfrigkeit durchzuführen.
Literatur:
- H. Bearpark et. al. „Snoring and sleep apnea. A population study in Australian men” Am J. Respir Crit Care Med 1995 May; 151(5): 1459-65
- ME Howard et. al. „Sleepiness, sleep-disordered breathing, and accident risk factors in commercial vehicle drivers“ Am J. Respir Crit Care Med 2004 Nov 1; 170(9):1014-21
- B. Wilhelm, Habilitationsschrift „Über die Spontanoszillationen der Pupille und ihre Beziehung zum zentralnervösen Aktivierungsniveau“ 2007, Steinbeis-Edition
- W. Cassel „Häufigkeit von Tagesschläfrigkeit bei Berufskraftfahrern – eine Felduntersuchung„ Somnologie Band 11, Supplement 1 Oktober 2007 Abstract DGSM 2007, Nr. 143